Butter: "Nichts ist, wie es scheint"

Wie gehen Menschen mit Ereignissen um, die ihren Horizont übersteigen und sie zutiefst verunsichern? Sie versuchen zum Beispiel, dem Monströsen einen Sinn zu geben, in dem sie es in einen größeren Plan einordnen. Sie fragen sich: Vielleicht war alles gar nicht so, wie es scheint? Vielleicht steckt eine Konspiration dahinter? Und schon kann eine Verschwörungstheorie ihren Anfang finden.

Konspiratives Denken hat es immer gegeben, schreibt der Amerikanist Michael Butter in seinem Buch »Nichts ist, wie es scheint«. Und führt als Beweis eine Rede von Abraham Lincoln aus dem Jahr 1858 an. In dieser nutzte der amerikanische Präsident eine Verschwörungserzählung, um die Öffentlichkeit zu manipulieren – für die Abschaffung der Sklaverei.

In Zeiten fragmentierter Öffentlichkeit kann der Glaube an Verschwörungstheorien jedoch den gesellschaftlichen Konsens gefährden und Demokratien untergraben. Die fantasierte Konspiration etwa, dass die terroristischen Angriffe vom 11. September 2001 von den USA gesteuert waren, um den späteren Irakkrieg zu rechtfertigen, ist nur ein Beispiel.

Butter zeigt die aktuellen Erzählungen auf, die vor allem von der Neuen Rechten eingesetzt werden. Er analysiert ihre Verbreitungswege wie Filme, Internetportale, soziale Medien. Und er gibt Tipps, wie man mit Menschen sprechen kann, die Verschwörungstheorien propagieren oder sich darin verheddert haben.

Ein Buch auf der Höhe der Zeit, eine spannende und zugleich unaufgeregte Lektüre. Und ein Appell, die Geschichtskompetenz zu erhöhen. Denn Butter weist nach: Was Umfang, Reichweite und Effektivität angeht, bleiben die historisch belegten Fälle deutlich hinter den an die Realität punktuell angelehnten Fiktionen der Verschwörungstheoretiker zurück. Um deren Fantasmen und Absurditäten zu entziffern, ihre Mechanismen und Wirkweisen zu durchschauen, ist das Buch bestens geeignet.

Michael Butter: »Nichts ist, wie es scheint«. Über Verschwörungstheorien. Edition Suhrkamp 2018. 18 Euro.