Navid Kermani: Große Liebe

Der mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani erzählt in diesem Buch die Geschichte einer Teenager-Liebe. Ein Fünfzehnjähriger verliebt sich in der Schule in ein vier Jahre älteres Mädchen – in einer fiktiven Schulzeit in den 80er-Jahren. »Das erste Mal hat er mit fünfzehn geliebt und seither nie wieder so groß«, schreibt der Erzähler über den Schüler – wobei der Erzähler selbst dieser Fünfzehnjährige ist. Rund 30 Jahre später erinnert er sich an seine erste große Liebe – während er in der Realität als geschiedener Mittvierziger gerade mit dem Erwachsenwerden seines 15jährigen Sohnes zu kämpfen hat.

Auf liebevolle, teils sanft ironische Weise beschreibt der Autor nicht nur alle Gefühlslagen, die jeder Mensch durchlebt, wenn er eine neue Liebe erlebt und dann ihr Ende erleiden muss, sondern er ergründet auch die Angst des Vaters vor dem Verlust seines Kindes.   

Dass er dabei allen, die in den 80ern jung waren, detailreich die Friedensbewegung und ihre Auswirkungen im Alltag zurück in Erinnerung bringt, gibt dem Roman eine zusätzliche melancholische Komponente. Jüngeren Lesern, die sich nicht  schmunzelnd erinnern können, wird dadurch auf sehr besondere Weise Zeitgeschichte nahegebracht.

Dass Navid Kermani die Liebeserfahrungen des Teenagers mit Hilfe von Aufzeichnungen islamischer Liebesmystiker aus dem zwölften und 13. Jahrhundert zu ergründen versucht, macht das Buch mit dem so einfach klingenden Titel noch tiefgehender und faszinierender. Kermani ist ein einfühlsames Buch über die Liebe und über die dem Menschen innewohnende Angst vor dem Verlust gelungen.

Navid Kermani: Große Liebe. München: Carl Hanser Verlag 2014. 224 Seiten, gebunden, 18,90 Euro