Melanie Garanin: Nils

Der jüngste Sohn der lllustratorin Melanie Garanin ist an den Folgen einer Leukämie-Behandlung gestorben. Er ist drei Jahre alt geworden, intensive drei Jahre, in denen er am liebsten auf dem Pferd der Familie und mit Laserschwert in der Hand durch den Wald ritt. Dann kam der Winter, in dem er viel krank war und sich das Fieber nicht senken ließ. Ärzte entdeckten Krebszellen, wenig später aber keine mehr.

Und vor Dankbarkeit überwältigt stolperte die sechsköpfige Familie die Klinikflure zum Ausgang hinaus. Fußball mit den Geschwistern, Steine-Schleudern am Ostsee-Strand und ein eigener Tisch-Kicker zum Geburtstag - nach dem Schock feierten die Garanins das Leben wieder. Aber die Krankheit kam zurück. An einem Sommermorgen wenige Wochen nach seinem Geburtstag starb der kleine Junge an einer Nebenwirkung der Chemo-Therapie.

Melanie Garanin nahm Kontakt zu Journalisten auf, die über den verhängnisvollen Fehler der Ärzte schreiben sollten. Niemand war bereit. So machte sich die Illustratorin selbst ans Werk. In drei Jahre langer Arbeit, weinend, wütend und untröstlich am Schreibtisch, entstand »Nils. Von Tod und Wut. Und von Mut.« Es ist ein Comic in Bildband-Umfang entstanden, ein Roman voller Illustrationen, ein Graphic Novel. 

Die Zeichnerin nimmt den Leser mit ins Krankenhaus, zu Arztbesprechungen und einsamen Stunden, in denen der dicke Zeh des kleinen Nils rot in der Nacht leuchtet, weil er über den Fuß eine Bluttransfusion bekommt. Ärzte werden karikiert in ihrer Geschäftsmäßigkeit. Die Eltern schleichen voller Sorge mit leerem Buggy und Nils auf dem Arm von Seite zu Seite. Und als er nicht mehr da ist, fährt die Familie nach Italien, um sich an eine Welt ohne Nils zu gewöhnen. Was natürlich nicht gelingt.

Wer das Buch »Nils« in die Hand nimmt, kann es bis zur Danksagung am Ende nicht mehr weglegen. Tränen fließen, aber es gibt auch Details, die einen aufheitern: der Desinfektionsmittelspender mit der langen Nase und all die Hunde, Hühner, Gänse und Ponys, die Nils Freunde waren und mit Schwertern in Pfoten und unter Flügeln für den kleinen Ritter in den Kampf zogen. 

Melanie Garanin: Nils. Von Tod und Wut. Und von Mut. Hamburg: Carlsen Verlag 2020. 200 Seiten. 22 €.